KI-Übersetzer: Diese geheimen Risiken sollten Unternehmen kennen
Ob Games, Content Marketing oder Grafikdesign – in vielen Branchen treten KI-Technologien zum Triumphzug an. Gerade für eine vermeintlich „simple“ Tätigkeit wie das Übersetzen scheint künstliche Intelligenz prädestiniert. Und tatsächlich: Nicht selten produzieren moderne KI-Übersetzer flüssige Texte, die einem linguistischen Turing-Test auf den ersten Blick standhalten.
Aber können wir diesem voreiligen Urteil trauen?
Wir haben Profis gefragt. Das Team von Milengo arbeitet seit 15 Jahren mit maschinellen Übersetzungssystemen, hat dabei über ein Dutzend Systeme sorgfältig getestet und Millionen von Wörtern in zahlreiche Sprachen übersetzt. Nachfolgend stellen wir Fallbeispiele aus unserer Arbeit mit Kunden vor und zeigen, wie die Tools sicher genutzt werden können.
Was genau ist eigentlich ein KI-Übersetzer?
Google Translate, DeepL & Co. – jeder kennt die bequemen Übersetzungshelfer aus dem Internet. Die aktuelle Generation der Tools basiert auf neuronalen Netzen und nennt sich Neural Machine Translation (NMT). NMT-Modelle sind ein Quantensprung in der Übersetzungsforschung, da sie mittels sogenannter Attention Layer die Beziehungen zwischen Wörtern in einem Satz mit verblüffender Zuverlässigkeit erkennen und die Übersetzungsqualität mittels Deep Learning eigenständig verbessern.
Konkurrenz erhalten sie neuerdings von Large Language Models (LLMs) wie ChatGPT, die zwar nicht explizit für Übersetzungen ausgelegt sind, aber dennoch bereits jetzt respektable Ergebnisse liefern. Neben solchen Gratis-Apps ist KI-Funktionalität heute standardmäßig in professioneller Übersetzungssoftware wie memoQ und Trados Studio enthalten.
Was sind konkrete Risiken von KI-Übersetzern?
Nachfolgend haben wir die sechs größten Herausforderungen für Sie zusammengestellt. Neben einer Beschreibung finden Sie auch eine Einschätzung des Schweregrads und der Häufigkeit des Risikos, die wir auf einer Skala von 1 (niedrigster Wert) bis 5 (höchster Wert) einstufen.
1. Ein ramponierter Ruf
Unfreiwillig beleidigende, unangemessene oder kulturell inakzeptable Inhalte können Unternehmen in ein schlechtes Licht rücken. Oft sind Übersetzungen hier der Stein des Anstoßes: Schon leichte Ungenauigkeiten im Ausgangstext können zu Entgleisungen von KI-Übersetzern führen.
Ein Beispiel: Milengo sollte vor einiger Zeit eine Mitarbeiterbroschüre für ein „Harassment and Discrimination Training“ ins Deutsche übersetzen – es ging also um eine Präventionsschulung zum Thema sexuelle Belästigung und Diskriminierung am Arbeitsplatz. Der Titel war im Englischen unglücklich gewählt und hätte präziser Harassment and Discrimination PREVENTION Training lauten sollen. Ein KI-Übersetzer würde den englischen Begriff nonchalant in ein Belästigungs- und Diskriminierungstraining verwandeln – eine Übersetzung, die beim Leser zweifellos für Irritationen gesorgt hätte.
Wenig verwunderlich fehlt KI-Übersetzungstools das Gespür dafür, was moralisch und sozial angemessen ist. Menschliche Übersetzerinnen und Übersetzer hingegen fungieren als Korrektiv: Sie bügeln Fehler im Ausgangstext aus und weisen auf kulturelle Problematiken hin.
Häufigkeit: Mediale Berichte über Übersetzungsfehler sind en vogue. Dennoch kommt es unserer Erfahrung nach in der Unternehmenspraxis recht selten vor, dass Fehlübersetzungen große Wellen schlagen. Wertung: 2
Schweregrad: Die Folgen reichen von verärgerten Kunden und Mitarbeitenden bis hin zu veritablen Shitstorms, vor denen auch multinationale Konzerne wie Ikea nicht gefeit sind. Wertung: 5
Gegenmittel: Ein Inhouse-Lokalisierungsmanager kann Qualitätskontrollen etablieren und entscheiden, welche Texte risikofrei von KI-Übersetzern übersetzt werden können. Bei sensiblen Übersetzungen sollte eine finale Prüfung durch die zuständige Fachabteilung (Produktteams, Marketing, HR, Rechtsabteilung etc.) erfolgen.
2. Wenig Kontrolle über das Markenimage
Viele Marken werden penibel gepflegt – inklusive Sprachregelungen, Styleguides und Vorgaben zur Verwendung von Produktnamen. Von menschlichen Übersetzern erfordert das eine Verinnerlichung der Markenidentität. KI-Übersetzer hingegen produzieren Sätze, indem sie anhand eines riesigen Textkorpus die höchste Wahrscheinlichkeit einer bestimmten Wortfolge berechnen. Sie sind ein ideales Werkzeug zur Produktion großer Textmengen, nicht jedoch für strategisch geplante Firmenkommunikation.
Nehmen wir das Beispiel eines Herstellers von Videoanlagen: Da der Begriff „Überwachung“ im Deutschen eher negativ belegt ist – Überwachungsstaat, Big Brother & Co. lassen grüßen – möchte das Unternehmen das englische Wort „surveillance“ in der PR-Kommunikation mit dem positiver belegten Begriff „Sicherheit“ übersetzen: Aus „Überwachungstechnik“ und „Überwachung des öffentlichen Raums“ wird „Sicherheitstechnik“ und „Sicherung des öffentlichen Raums“. Solche Sprachpräferenzen kann maschinelle Übersetzung nicht vollständig abbilden, da sowohl neuronale maschinelle Übersetzung als auch Large Language Models einer Black Box ähneln, deren Output nicht vorhergesagt werden kann.
Häufigkeit: Fast jedes Unternehmen hat klare Vorstellungen, wie es sich gegenüber Kunden präsentieren will. Bei multinationalen Unternehmen variiert dieses Image noch zusätzlich von Land zu Land. Wertung: 4
Schweregrad: Die Kontrolle über das eigene Markenimage geht bei der Nutzung von KI-Übersetzern bis zu einem gewissen Grad verloren. Wertung: 4
Gegenmittel: Die Premiumversionen von KI-Übersetzern können (mit viel Aufwand) auf die Sprache eines Unternehmens trainiert werden. Besonders sensible PR- oder Marketing-Texte sollten aber auch zukünftig aus der Feder menschlicher Übersetzer stammen.
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3. Falsch benannte Produkte und Firmennamen
Sie haben einen Onlineshop und wollen neue Auslandsmärkte erschließen? Dann sollten Sie bei der Lokalisierung in jedem Fall beachten, dass KI-Übersetzer Markennamen auch gerne einmal mitübersetzen. Zu allem Überfluss wird es dabei häufig noch unfreiwillig komisch bis rufschädigend: Für einen Schuh-Onlineshop namens Maverick Footwear schlägt DeepL unter anderem die Übersetzung Querdenker-Schuhe vor – kein Markenname, der auf viel Gegenliebe stoßen würde.
Häufigkeit: Automatisch übersetzte Produktnamen sind heutzutage keine Seltenheit und in großen E-Commerce-Portalen wie Amazon relativ weit verbreitet. Wertung: 4.
Schweregrad: Fehlübersetzungen erschweren die Auffindbarkeit von Produkten und sorgen für Frustration beim Kunden. Speziell Marken, die mit Qualität und Kundennähe werben, sollten hier Sorgfalt walten lassen. Für B2B-Unternehmen, die nur eine Handvoll Produkte statt tausender Verbrauchsartikel anbieten, wiegen derartige Übersetzungsfehler noch schwerer. Wertung: 2.
Gegenmittel: Durch Customization werden maschinelle Übersetzungsysteme darauf trainiert, vorgegebene Produktnamen nicht zu übersetzen. Zudem bietet Übersetzungssoftware technische Mittel, um vorab definierte Textsegmente von der maschinellen Übersetzung auszuschließen.
4. Schlampig übersetzte Software
Auf den ersten Blick scheint Software ein perfektes Versuchsobjekt für KI-Übersetzungstools zu sein. Man denke an generische Sätze wie „Bitte klicken Sie auf OK, um ins Hauptmenü zurückzukehren“. Das sollte eine KI, die mit Millionen von Satzpaaren trainiert wurde, doch nicht ins Schwitzen bringen. Oder?
Falsch geraten. Was KI-Übersetzer nämlich vor Herausforderungen stellt, ist die Tatsache, dass UI häufig aus vielen kleinteiligen Textbausteinen besteht. Dazu gehören Menütitel, Schaltflächentexte oder Tabelleninhalte. KI-Übersetzer haben keine Chance herauszufinden, wo diese Texte tatsächlich in der Benutzeroberfläche auftauchen.
Bedeutet „Open“ nun „Öffnen“ oder „Offen“? Aus „Back“ kann statt „Zurück“ (zum vorherigen Bildschirm) schnell einmal „Rücken“ werden. Eine weitere Crux sind Designkonflikte: Fällt eine KI-Übersetzung länger aus als der Originaltext, wird der Text unter Umständen abgeschnitten, wenn Schaltflächen oder Menü-Elemente nur eine bestimmte Zeichenlänge zulassen.
Schweregrad: Eine rein mit KI übersetzte Software hat Fehlübersetzungen und Designkonflikte zur Folge. Die User Experience wird geschmälert, im schlimmsten Fall kann eine App für Userinnen und User unbrauchbar werden. Wertung: 4.
Häufigkeit 3: Software wird immer umfangreicher. Das preisgekrönte Computerspiel „Baldurs Gate 3“ umfasst beispielsweise zwei Millionen Wörter – mehr als die gesamte Game of Thrones-Buchreihe. Da Lokalisierungskosten als Konsequenz stark ansteigen, wird verstärkt mit dem Einsatz von KI und maschineller Übersetzung experimentiert.
Gegenmittel: Für die Übersetzung der Benutzeroberfläche einer Software ist der Mensch noch immer erste Wahl, da er UI-Strings im Kontext verstehen und interpretieren kann. Für Hilfetexte oder Software-Dokumentation sind KI-Übersetzer aber ein probates Hilfsmittel.
5. Irreführende Produktanleitungen und Dokumentation
Ob Bedienungsanleitung für ein Küchengerät oder Onlinehilfe für Finanzsoftware – solche Texte müssen keine sprachlichen Meisterwerke sein, sollten aber unbedingt inhaltlich korrekt und verständlich formuliert sein.
Hier bergen KI-Übersetzer die Gefahr, dass sie in seltenen Fällen Informationen weglassen oder gar völlig neue Inhalte halluzinieren. Einem ungeschulten Auge entgeht das auf den ersten Blick; schließlich produzieren moderne KI-Übersetzungstools sehr flüssig zu lesende Texte. Dem Leser wird ein trügerisches Vertrauen in den Text eingeflößt – denn Übersetzungen, die „gut klingen“, aber inhaltlich fehlerhaft sind, werden eher vom Benutzer akzeptiert als holprig formulierte Texte, die dafür inhaltlich richtig sind.
Zudem tritt hier ein weiteres Problem von KI-Übersetzern zutage: willkürlich übersetzte Terminologie. Maschinelle Übersetzung lässt den Gesamtkontext außer Acht und übersetzt Begriffe gerne auf unterschiedliche Weise. Aus dem Begriff „warranty“ wird etwa wahlweise „Garantie“ oder „Gewährleistung“ – zwei völlig unterschiedliche rechtliche Konzepte.
Häufigkeit: Dokumentation und Anleitungen sind ein beliebtes Anwendungsfeld maschineller Übersetzung. Das Textvolumen ist groß und die Formulierungen sind meist relativ simpel und verständlich gehalten. Wertung: 5.
Schweregrad 4: Fehlübersetzungen schmälern die Benutzererfahrung und führen im schlimmsten Fall zur unsachgemäßen Anwendung von Produkten. Besonders kritisch wird es, wenn Missverständnisse von rechtlicher Tragweite heraufbeschworen werden. Wertung: 4.
Gegenmittel: Im Anschluss an die maschinelle Vorübersetzung sollte stets noch ein professionelles Post-Editing nach ISO-Standards durch ausgebildete technische Übersetzer erfolgen.
6. Farblose Marketing-Botschaften
Guter Marketing-Content lebt von Persönlichkeit, Überzeugungskraft und einem Narrativ. Die sprachlichen Mittel dafür sind unter anderem Wortspiele, verdichtete Formulierungen und originelle Metaphern. All das zählt aber zu den Schwachpunkten von KI-Übersetzern: Sie sind Generalisten, die auf riesige Wortmengen trainiert wurden und denen es an sprachlicher Raffinesse und Vorstellungskraft mangelt.
Das beginnt schon bei Grundlagen der Formulierung, wie etwa Satzanschlüssen: Neuronale maschinelle Übersetzung interpretiert Texte Satz für Satz, weshalb Konjunktionen und Textbezüge oft schief oder gar fehlerhaft sind. Noch weniger scheren sich KI-Übersetzer um Melodie und Rhythmus eines Textes. Ein sorgfältig aufgebautes Verkaufsargument oder eine kanalübergreifend inszenierte Brand Story verpuffen so an Wirkung.
Selbstredend kann ein Text mit KI zudem nicht adäquat für eine bestimmte Zielgruppe und die übergeordneten Marketing-KPIs (z. B. Lead-Generierung, Traffic, Downloads etc.) optimiert werden, wie das beispielsweise bei einer Transkreation oder SEO-Übersetzung der Fall ist. Eine zielgruppengerechte Ansprache, die Rücksichtnahme auf kulturelle Sensibilitäten oder der Einsatz von Emotionen sind immer noch ureigene menschliche Kompetenzen.
Häufigkeit: Künstliche Intelligenz wird im Content Marketing der Zukunft eine zentrale Rolle einnehmen. Aktuell stehen viele Marketingteams dem Thema aber noch konservativ gegenüber – gerade wenn es um Premium-Content geht: Denn für dessen Erstellung sind die sprachlichen Waffen der KI-Übersetzer derzeit noch zu stumpf. Wertung: 3.
Schweregrad: Die Entwicklung einer Marketing-Kampagne verschlingt viel Zeit und Geld. Dieser Aufwand kann durch eine schlechte Übersetzung zunichte gemacht werden. Als Folge bleiben Leads, Traffic oder gar eingeplante Verkaufszahlen aus. Wertung: 3.
Gegenmittel: Ein Großteil des Marketing-Contents sollte angesichts der Defizite von KI-Übersetzern weiterhin von Menschen übersetzt werden. Für technisches Marketing, etwa für nüchern-informative Blogartikel im B2B-Sektor, können sie aber dennoch eine valide Alternative sein.
Wie werden KI-Übersetzer dennoch zu einem sicheren Werkzeug?
Die Faktenlage ist klar: Ohne professionelle Qualitätssicherung wird der Einsatz von KI-Übersetzern zum unkalkulierbaren Risiko. Trotzdem gehen viele Unternehmen dieses Wagnis ein – denn gerade für große Textmengen wie Dokumentation oder Wissensdatenbanken sind menschliche Übersetzungen inzwischen oft schlicht zu teuer.
Zum Glück gibt es einen Ausweg aus diesem Dilemma: Kuratierte KI-Übersetzungen, die auf speziell trainierten maschinellen Übersetzungssystemen basieren.
Wie Milengo diesen Service realisiert, zeigt die folgende Tabelle:
Gratis-KI-Übersetzer | Kuratierte KI-Übersetzung von Milengo |
Keine Qualitätsgarantie | Professionelles Post-Editing gemäß ISO 18587 |
Häufige Terminologiefehler | Training von KI-Übersetzern anhand vorhandener Firmenterminologie (Customization) |
Keine kulturelle Adaption | Einsatz muttersprachlicher Post-Editorinnen und Lektoren, die mit Ihrem Zielmarkt vertraut sind |
Unklarheit über Arbeitsweise von KI-Übersetzern | Zusammenarbeit mit KI-Experten, die je nach Branche und Themengebiet für Sie den optimalen KI-Übersetzer auswählen und trainieren |
Probleme mit dem Content-Import/Export aus CMS-Systemen zur Übersetzung; hoher Copy & Paste-Aufwand | Maßgeschneiderte Integrationen und APIs für den Content-Import und -Export; hauseigener Desktop-Publishing-Service |
Fazit
Die Risiken von KI-Übersetzern sind beträchtlich, aber mit der richtigen Herangehensweise auch gut kontrollierbar. Wenn Sie die Technologie smart einsetzen, müssen Sie sich über die oben beschriebenen Qualitätsrisiken nicht länger den Kopf zerbrechen und können Ihr Lokalisierungsbudget endlich spürbar entlasten.